Ausgangssituation
Viskoelastische Materialien wie Leder, Kunstleder oder beschichtete Textilien sind für viele Lebensbereiche wie z. B. Fahrzeuginterieur, Möbel- und Inneneinrichtung und Bekleidung von großer Bedeutung. Im Regelfall sind entsprechende Materialien lackiert, um neben schützenden Aspekten auch Oberflächeneffekte mit optischer, haptischer und ästhetischer Funktion zu erzielen. An diese Lacke werden zumeist hohe Anforderungen gestellt, um Gebrauchseigenschaften wie geringe Anschmutzbarkeit und hohe Verschleißfestigkeit bei gleichzeitiger Elastizität und Flexibilität realisieren zu können. Trotz dieser Beanspruchungen sollten die Lackierungen eine langjährige Nutzungsdauer bei bleibendem ästhetischem Wert gewährleisten. Dies schließt insbesondere auch eine hohe Kratzfestigkeit mit ein, da Oberflächen im Alltag oft durch unbeabsichtigte Kratzer beschädigt werden. Häufig besteht jedoch die Problematik, dass sich gewünschte Beschichtungseigenschaften, wie Flexibilität, erhöhte Kratzfestigkeit und Langlebigkeit nur schwer vereinbaren lassen. Hinzu kommt, dass sich in Rissen oder Kratzern leicht Keime, Bakterien oder Viren ansammeln. Mit Hilfe UV-basierter Heilungsmethoden können durch Kratzer beschädigte Lackoberflächen regeneriert und gleichzeitig desinfiziert werden.
Projektziel
Das Ziel des vorliegenden Projekts bestand darin, ein selbstheilendes, flexibles Polyurethan-Lacksystem für viskoelastische Untergründe zu erarbeiten, bei welchem das UV-C-Licht (Abb. 1) sowohl den Auslöser (Trigger) für den Selbstheilungsprozess darstellt als auch desinfizierend wirkt. Im Rahmen des Projektes sollte gezeigt werden, dass die neu zu entwickelnden Lackbeschichtungen im Vergleich zu etablierten Systemen ein ähnlich gutes Eigenschaftsspektrum hinsichtlich visueller Optik, Elastizität und Beständigkeit aufweisen (Abb. 2), aber zugleich eine deutlich höhere Langlebigkeit, insbesondere hinsichtlich Kratzbeständigkeit und UV-Exposition, gewährleisten.
Lösungsweg
Im Forschungsvorhaben erfolgte zunächst die Synthese eines reaktiven, cumarin-haltigen Monomers, welches in Oligomer- und Polymer-Systeme eingebunden wurde. Zur Bestimmung der Fähigkeit der Selbstheilung wurden sowohl die Additive (Oligomere) als auch Dispersionen (Polymere) mittels UV-Licht und Wärme behandelt und ausgiebig charakterisiert (photometrisch, rheologisch, dynamisch-mechanisch, kalorimetrisch usw.). Gleichzeitig erfolgte die Ermittlung von Prozessparametern zur Applikation, Trocknung und Vernetzung der selbstheilenden Lackfilme und -beschichtungen auf Kunstledern sowie deren Charakterisierung hinsichtlich oberflächen- und materialspezifischer Eigenschaften. Die Effizienz der UV-vermittelten Oberflächendesinfektion unter den für die Selbstheilung effizientesten Bedingungen wurde durch biologische Tests mit Modell-Bakterien und -Pilzen geprüft.
Ergebnisse | Nutzen
Im Projekt sollte die Leistungsfähigkeit und Effizienz der UV-vermittelten Selbstheilung am Beispiel dispersionsbasierter Polyurethan-Lacke zur Kunstleder-Beschichtung untersucht werden. Darüber hinaus sollte im Rahmen von Demonstrationsversuchen bis hin zum Technikumsmaßstab eine Kopplung von UV-induzierter Flächendesinfektion mit der autonomen Heilung von Oberflächendefekten geprüft werden. Da die selbstheilenden Eigenschaften der Lacke auf UV-induzierter kovalenter Bindungsbildung und -spaltung beruhen, bestand die Herausforderung darin, die hierzu erforderlichen Cumarin-Komponenten in die Beschichtungssysteme einzubringen.
Ein zentraler Aspekt des Projekts war die Synthese eines reaktiven, cumarin-haltigen Monomers. Dieses Monomer ist ein reaktiver primärer Alkohol, der als Baustein für die Herstellung von Additiven und Dispersionen genutzt werden konnte. Aufgrund seiner begrenzten Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln ist das Monomer jedoch nicht für die direkte Additivierung in 2-Komponenten-Lackformulierungen geeignet. Durch die reaktive Einbindung des Monomers in Oligomer- und Polymer-Systeme konnten UV-ver- und entnetzbare Lackformulierungen entwickelt werden.
Die Fähigkeit zur Selbstheilung mittels UV-Licht und zusätzlicher Wärmeeinwirkung wurde erfolgreich an makroskopischen Kratzern der oligomeren Systeme nachgewiesen. Der reversible UV-Vernetzungsmechanismus der dispersionsbasierten Lacke konnte anhand von Änderungen der Materialeigenschaften gezeigt werden. Allerdings zeigten sich Einschränkungen bei der Ausheilung von Kratzern auf der Oberfläche der Dispersionsbeschichtungen.
Für die Applikation, Trocknung und Vernetzung der Dispersionen wurden Prozessparameter entwickelt, wodurch es gelang homogene Lackbeschichtungen auf Kunstledern zu erzeugen. Die Anforderungen an das Anschmutz- und Reinigungsverhalten erfüllten zwei mit Dispersionsbeschichtung lackierte Kunstleder. Bakterien wurden mit den für die Selbstheilung optimierten UV-Bestrahlungen abgetötet, das Wachstum von Pilzen wurde dadurch aber nicht beeinflusst.
Wirtschaftliche Vorteile ergeben sich für die Hersteller und Anwender von Lacken/Lacksystemen für viskoelastische Materialien durch die Erweiterung ihrer Produktpalette mit Produkten, die durch die UV-Bestrahlung nicht nur selbstheilend sind, sondern dadurch auch desinfiziert werden. Auch Vertreiber von UV-Desinfektionslampen, welche in immer mehr Bereichen Anwendung finden, profitieren durch solch eine Lackentwicklung.
Dank
Das IGF-Vorhaben 01IF22780N der Forschungsvereinigung „FILK Freiberg Institute gGmbH, Meißner Ring 1-5, 09599 Freiberg“ wurde über die AiF, später DLR im Rahmen des Programms zur Förderung der „Industriellen Gemeinschaftsforschung und –entwicklung (IGF)“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.
Der ausführliche Abschlussbericht liegt im FILK Freiberg Institute, Meißner Ring 1 – 5, 09599 Freiberg vor.

