Ausgangssituation
Der Einsatz von Flammschutzmitteln (FSM) in Polyurethan-Kunstledern ist notwendig, um bei möglichen Bränden diese verzögern, deren Ausbreitung zu minimieren und im besten Fall zu verhindern. Gegenwärtig werden neben Aluminiumhydroxid (ATH) häufig halogenierte FSM eingesetzt. Ausschlaggebend für ATH ist der geringe Preis, wobei sich der Einsatz hoher Mengen nachteilig auf mechanische Eigenschaften der flammgeschützten Produkte auswirken kann. Halogenhaltige FSM wirken durch die Unterbrechung des Radikalmechanismus in den bei Bränden entstehenden Gasen sehr effektiv. Sie bringen aber den Nachteil mit sich, dass es im Brandfall zu starker Rauchbildung kommt. Dabei entstehen giftige und korrosive Gase, welche sich in der Umwelt anreichern. Aus diesen Gründen und aufgrund der hormonähnlichen Wirkung bei Menschen werden halogenhaltige FSM zunehmend verboten. Eine mögliche Alternative stellen Phosphor- und Stickstoff-haltige Verbindungen bzw. Kombinationen aus beiden dar. Anfallende Reststoffe aus verschiedenen Industriezweigen, die Phosphor oder/und Stickstoff enthalten, sind bspw. Rinderhaare (Lederindustrie), Stärkereststoffe (Lebensmittelindustrie), Hornspäne (Tierhaltung) sowie Rindenmaterial (Holzindustrie). Durch die Nutzung dieser Reststoffe als Flammschutzmittel kann ein Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft und zur stofflichen Verwertung von Nebenströmen geleistet werden.
Projektziel
Ziel dieses Forschungsvorhabens war, aus biologischen Reststoffen Flammschutzmittel zu entwickeln, welche geeignet sind, die Brennbarkeit von Kunstleder aus Polyurethan herabzusetzen. Als biogene Reststoffe wurden Rinderhaare (Lederindustrie), Stärkereststoffe (Lebensmittelindustrie), Hornspäne (Tierhaltung) sowie Rindenmaterial (Holzindustrie) und, darauf aufbauend, modifizierte Verbindungen verwendet.
Lösungsweg
Zunächst wurden die nicht modifizierten Verbindungen in den Zwischenstrich eines Kunstleders aus High-Solid-PUR-Prepolymeren bzw. wässrigen PUR-Dispersionen eingearbeitet und das Brandverhalten charakterisiert. Dafür wurden Cone-kalorimetrische Messungen durchgeführt und das horizontale und vertikale Brandverhalten sowie der LOI-Wert (Limitierter Sauerstoffindex) bestimmt. Vergleichend dazu wurden drei verschiedene kommerzielle Flammschutzmittel demselben Procedere unterzogen.
Zur Erhöhung des Stickstoff- und Phosphoranteiles der Reststoffe wurden diese in einer Harnstoffschmelze phosphatiert (Phosphatcarbamatierung). Nachfolgend wurden auch diese Produkte in die Zwischenstriche von Kunstledern eingearbeitet.
Mit Stärkereststoffen und Rinden wurden die umfangreichsten Versuche durchgeführt, was eine Variation der Flammschutzmittelkonzentration, der molaren Verhältnisse während der Phosphatcarbamatierung sowie den Zusatz additiver Flammschutzmittel einschloss.

Die beim horizontalen Brennverhalten (DIN 75200) ermittelten Brennraten von Kunstledern ohne, mit kommerziellen und mit Reststoff-basierten Flammschutzmitteln. Proben eines Reststoffes unterscheiden sich im Phosphatierungsmittel bei der Modifizierungsreaktion. (ATH – Aluminium Trihydroxid, APP – Ammonium Polyphosphat, org. P – organische Phosphorverbindung, Phos – Phosphinat, FSM - Flammschutzmittel)
Ergebnisse | Nutzen
Im Rahmen des Vorhabens ist es gelungen, Flammschutzmittel aus verschiedenen biogenen Reststoffen herzustellen. Mittels Phosphatcarbamatierung in einer Harnstoffschmelze wurden sowohl pflanzliche als auch tierische Reststoffe in einem Laborkneter modifiziert.
Während die Anwendung der untersuchten tierischen Ausgangsstoffe (Keratin und Hornspäne) trotz guter Eignung als FSM aufgrund der hohen Geruchsbelastung während Synthese und Anwendung nicht weiterverfolgt wurde, konnten sowohl mit stärke- als auch mit rindenbasierten Materialien Ergebnisse erzielt werden, die mit der Anwendung kommerzieller FSM vergleichbar sind.
Als Rindenmaterial wurde aufgrund des hohen Gerbstoffanteils vorwiegend Eichenrinde betrachtet. Buchenrinde, welche in der Holzindustrie in großen Mengen anfällt, und die als Reststoff zur Verfügung stehende Rinde des Chinabaums waren zur Herstellung von FSM für Kunstleder aufgrund der Produkteigenschaften (starke Verklumpung, mangelnde Löslichkeit) mit und ohne Modifizierung eher ungeeignet. Nach Auswertung der Daten konnte festgestellt werden, dass auch die Zugabe nicht modifizierter Rinde zu einer Brandhemmung führt. Die Addition von Rinde als Synergist zu herkömmlichen FSM, um letztere in der Menge zu reduzieren, ist eine preislich interessante, leicht umzusetzende Option.
Ausgehend von Stärke als Modellsubstanz wurden verschiedene Reststoffe, die bei der Stärkeherstellung anfallen, untersucht. Im Fall von stärkebasierten Reststoffen ist die Phosphatcarbamatierung ein zwingender Schritt zur Erzielung von Flammschutzeigenschaften.
Mit der Herstellung von FSM aus biogenen Reststoffen können nachhaltige Produkte zur Verfügung gestellt werden, mit denen ähnliche Ergebnisse erzielt werden wie mit bisher am Markt verfügbaren FSM (siehe Abbildung). Einige Eigenschaften sollten weiter untersucht und optimiert werden. Dazu gehören neben der eigentlichen Flammschutzwirkung u. a. Geruch, Dauerfaltverhalten und Lagerfähigkeit.
Dank
Das IGF-Vorhaben 01IF22301N der Forschungsvereinigung „FILK Freiberg Institute gGmbH, Meißner Ring 1-5, 09599 Freiberg“ wurde über die AiF/DLR im Rahmen des Programms zur Förderung der „Industriellen Gemeinschaftsforschung und –entwicklung (IGF)“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.
Weiterhin bedanken wir uns bei den Mitgliedern des Projektbegleitenden Ausschusses für die Bereitstellung von verschiedenen Materialien, einschließlich der Reststoffe.

