Plasmagestützte Herstellung mikrostrukturierter Silikonoberflächen zur Vermeidung der Bakterienadhäsion (PlaSiBak)

BMWK IGF 011F22489N | Laufzeit: 07.2022 – 03.2025 Dr. Frauke Junghans, FILK Freiberg
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  • Biomaterialien
  • Verfahren/Prozesse
  • Werkstoffcharakterisierung

Ausgangssituation

Viele unterschiedliche Medizinprodukte werden aus synthetischen Werkstoffen wie z. B. Silikonelastomeren hergestellt und finden ihre Anwendung im Kontakt mit der Haut oder verschiedenen Körperflüssigkeiten (Blut, Urin), so wie beispielsweise extrakorporale Schläuche und Katheter. Neben antibakteriellen Ausrüstungen mittels z. B. Silberbeschichtung besitzen Mikrostrukturen auf der Oberfläche zukünftig großes Anwendungspotenzial, da sie die Bakterienanhaftung verzögern oder sogar verhindern können, was insgesamt zu einer geringeren Keimbelastung im Gebrauch führen soll. Allein in Deutschland erkranken jährlich annähernd eine Million Menschen im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen im Krankenhaus, bis zu 40.000 Patienten sterben pro Jahr an oder mit nosokomialen Infektionen.

Projektziel

Im Forschungsvorhaben sollten drei grundlegende Ziele erreicht werden. Zum einen wurde (i) zur Vermeidung der Bakterienadhäsion eine Mikrostrukturierung von flächigen Silikonmaterialien mittels Faltenbildung im Submikrometermaßstab durch Atmosphärendruck-Plasmaverfahren angestrebt, zum anderen sollte (ii) untersucht werden, inwiefern eine zusätzliche Silberbeschichtung zu synergistischen Effekten hinsichtlich der Reduzierung der Bakterienanhaftung führt. Das letztendliche Ziel war, dass dadurch weniger Infektionen auftreten und die Wechselintervalle von z. B. Kathetern verlängert werden. Für den Nachweis der Umsetzbarkeit der Technologie auf relevante Medizinprodukte sollte (iii) die industrielle Machbarkeit der Herstellung von faltenstrukturierten 3D-Formkörpern (Schläuchen) aufgezeigt und das Anwendungspotential praktisch bewiesen werden.

Lösungsweg

Folgende Forschungsschwerpunkte zur Erreichung des Projektziels wurden bearbeitet:
- Herstellung von Faltenstrukturen im Niederdruck (ND)-Plasma zum Screening von Wellenlängen zur Verminderung der Bakterienadhäsion,
- Umsetzung der Strukturierungsstrategie (Wrinkling) auf planaren Proben mit Atmosphärendruck (AD)-Plasma,
- Übertragung des Strukturierungsprozesses mittels AD-Plasma auf 3D-Geometrien (Schläuche),
- Nachweis der wirksamen Reduzierung der Bakterienadhäsion auf planaren Proben.

Ergebnisse | Nutzen

Zu Beginn des Projektes erfolgten grundlegende Untersuchungen zur Faltenstrukturierung im Niederdruck-Plasma. Dabei wurde der Einfluss verschiedener Prozessgase (CO2, NH3, N2, O2) auf die Faltencharakteristika (Wellenlänge, Strukturhöhe, Aspektverhältnis) ermittelt, die Ausbildung von Rissen und Verzweigungen in der Faltenstruktur bewertet sowie die Dauer des Hydrophobic Recovery Effects (Zeitraum des Abklingens der durch die Plasmabehandlung erzeugten Änderung der Oberflächenenergie) bei faltenstrukturierten Silikonen ermittelt. Dieser Zeitraum beträgt ca. 8 Tage. 
Zudem fand ein erstes Screening der Wellenlängen zur Verminderung der Bakterienadhäsion statt. Die Adhäsion von Staphylococcus aureus (S. aureus) auf faltentrukturiertem Silikon, hergestellt im Niederdruck-Plasma, konnte signifikant um mehr als 30 % gegenüber einer glatten Referenzprobe reduziert werden. Es wurde ein optimaler Wellenlängenbereich zwischen 700 und 900 nm ermittelt.
Im nächsten Schritt wurde der Prozess der Faltenstrukturierung der Silikone auf verschiedene AD-Plasmaprozesse übertragen. 
- Bei der Faltenstrukturierung mittels Plasmadüse gelang es durch Variation der Düsengeometrien letztendlich unter Nutzung einer Rotationsdüse, die Behandlungszeiten soweit zu reduzieren und optimieren, dass eine Anwendung in der Industrie denkbar ist. Bei diesen faltenstrukturierten Silikonproben wurde die Adhäsion von S. aureus ebenso signifikant verringert (mind. 30 %). Als Wellenlängen-Optimum wurde auch hier ein Bereich von 700 – 900 nm identifiziert.
- Eine kontinuierliche und großflächige Faltenstrukturierung konnte zudem mittels Remote-Plasmas am Panel-Treater erzielt werden. Mit dieser Plasmaanlage konnten Wellenlängen von bis zu 1452 nm erreicht werden. Optimale Ergebnisse hinsichtlich einer gleichmäßigen und homogenen Faltenstruktur wurden bei 30 % Dehnung der Silikonproben und 138 bis 150 Durchläufen erzielt. Abhängig von der Wellenlänge der erzielten Strukturen konnte eine Reduktion von Escherichia coli (E. coli) um bis zu 40 % beobachtet werden. Die Wellenlängen, bei denen die Adhäsion von E. coli verringert ist, liegen zwischen 900 und 1300 nm.
Es wurde darüber hinaus ein Procedere für einen Abformungsprozess entwickelt, um Struktureffekte von anderen Plasmaeffekten zu trennen. Es konnte an hergestellten Replikaten (die Originale wurden mit Silikon abgeformt) gezeigt werden, dass die Verminderung der Bakterienadhäsion auf einen Struktureffekt zurückgeführt werden kann.
Eine Kombination der Faltenstrukturierung von Silikonproben mit der antibakteriellen Wirkung der Silberbeschichtung führte zu einer stärkeren Reduktion von E. coli als die Strukturierung alleine. Es können also synergistische Effekte aus Strukturierung und Silberbeschichtung auch bei geringen Silberkonzentrationen erwartet werden.
Letztendlich wurde im Projekt eine Apparatur entwickelt, mit welcher es möglich ist, die Faltenstruktur auf Silikonschläuche zu übertragen. Es konnten die für eine verminderte Bakterienadhäsion erforderlichen Strukturen homogen erzeugt werden. Mit einer weiteren Optimierung der Plasmaprozessparameter können die Wellenlängen sicherlich rund um den Schlauch auf etwa 900 nm eingestellt werden, was für beide Bakterienstämme wie E. coli und S. aureus zu einer verminderten Bakterienadhäsion führen würde.
 

Dank

Das IGF-Vorhaben 22489 BR (01IF22489N) der Forschungsvereinigung „FILK Freiberg Institute gGmbH, Meißner Ring 1-5, 09599 Freiberg“ wurde über die AiF und die DLR im Rahmen des Programms zur Förderung der „Industriellen Gemeinschaftsforschung und –entwicklung (IGF)“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.

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