Ausgangssituation
Die Forderungen der Verbraucher und der OEMs mit Hinblick auf Klimawandel und die politische Agenda erzwingen von allen Industriezweigen erhöhte Anstrengungen in Richtung nachhaltiger Prozesse und alternativer Produkte. Auch die Textil-, Mode-, Automobil- und Luxusindustrie ist beständig auf der Suche nach Materialien mit geringeren Umweltauswirkungen und "veganen Alternativen". Die Entwicklung eines Myzelfasermaterials im Rahmen des My-Fi H2020-Projekts geht auf diese Anforderungen ein.
Projektziel
Das Ziel von My-Fi war es, der Textilindustrie nachhaltige Vliesstoffe mit geringeren Umweltbelastungen im Vergleich zu derzeit etablierten Fasern zur Verfügung zu stellen. Mycelfasern stellen dafür eine Alternative dar. Sie werden durch das Wachstum von Pilzen ausgehend von Rückständen aus der Landwirtschaft oder der Textilindustrie mit Hilfe eines biotechnologischen Verfahrens erhalten. Vliesstoffe auf Basis von Mycelfasern können vielseitig im Fashion-Bereich oder als Bezugsmaterial z. B. im Automobilinnenraum eingesetzt werden, wenn es gelingt, die mechanischen und ästhetischen Eigenschaften zu verbessern. Die Aufgabe des FILK innerhalb des Projektkonsortiums aus 14 Partnern aus 6 Ländern war es, ein geeignetes und effektives Nachbehandlungsverfahren zu entwickeln.
Lösungsweg
Die Beeinflussung der mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Stichausreißfestigkeit wurde mit Reaktionen zur Quervernetzung der Mycelfasern untersucht. Fettende und wasserbindende Additive wurden zur Erhöhung der Flexibilität und Dehnung getestet. Da das Pilzmycel als Stückware produziert wurde, sollte die Nachbehandlung in Batchprozessen in rotierenden Fässern skalierbar sein, wie sie in der Lederindustrie standardmäßig genutzt werden. Die Behandlung der Oberfläche des Mycelvlieses zur Erzielung wichtiger Gebrauchseigenschaften wie Abriebfestigkeit oder Wasserabweisung sollte mit biobasierten Zurichtungen erfolgen, die aus der Lederzurichtung bekannt sind.
Ergebnisse
Das unbehandelte Mycelium am Ende des Fermentationsprozesses ist ein sprödes Material mit Festigkeiten weit unterhalb der in der Mode- oder Automobilindustrie geforderten Eigenschaften. Es weist aber eine sehr edle Haptik auf. Diese sollte durch die Nachbehandlungsprozesse erhalten bleiben. Es wurden verschiedene Vernetzer (vegetabile Gerbstoffe, Glutaraldehyd, Syntane, Carbodiimid) eingesetzt und die Bindung zwischen Vernetzer und Mycel und die resultierenden Eigenschaftsveränderungen untersucht. Eine Erhöhung der Festigkeit oder der Stichausreißfestigkeit gelang nicht, die Vernetzung trägt aber zur Fasertrennung und damit zum Erhalt der Dicke und der Haptik des Materials nach der Behandlung bei. Eine Durchfärbung des Materials wurde mit kationischen, anionischen, und Schwefel-Farbstoffen erreicht. Die Weichheit wurde mit modifizierten vegetabilen Fettungsmitteln eingestellt. Am FILK wurde ebenfalls ein Up-Scaling in den halbtechnischen Maßstab durchgeführt. Ein Überblick über den im Projekt erarbeiteten Prozessweg gibt Abb. 1.
Innerhalb des Projektkonsortiums wurde die gesamte Prozesskette von der Mycelfermentation, über down-stream processing und Oberflächenvergütung untersucht. Die Zurichtung erfolgte mit biobasierten PU-Dispersionen oder natürlichen Wachsen, wobei durch Auftragsverfahren und nachträgliche Prägung unterschiedliche Erscheinungsbilder der Oberfläche erzeugt werden können. Aus diesen Mycelmaterialien wurden Prototypen für Anwendungen im Mode- und Automobilbereich hergestellt (siehe Abb. 2).
Zur Erreichung der nötigen Festigkeiten war eine Laminierung des Materials mit einem textilen Träger notwendig. Der Gesamtprozess wurde im Rahmen einer LCA bewertet. Die biologische Abbaubarkeit des Materials variiert in Abhängigkeit der Nachbehandlungsprozesse.
Dank
Die Ergebnisse wurden innerhalb des Projektkonsortiums erreicht. Das Projekt wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unter GA-Nr. 101000719 finanziert.


