Sterilisationsverfahren für biofunktionalisierte Implantate

BMWK INNO-KOM 49MF210048 | Laufzeit: 11.2021 – 04.2024 Carolin Großmann, FILK Freiberg; Caroline Seidel, FILK Freiberg; Claudia Dietze, FILK Freiberg; Enno Klüver, FILK Freiberg
  • Kategorien:
  • Biomaterialien
  • Verfahren/Prozesse

Ausgangssituation

Biofunktionalisierte Implantatmaterialien verfügen über eine biologisch wirksame Komponente, die von körpereigenen Zellen erkannt wird und im Wundgewebe Zellreaktionen wie Adhäsion oder Proliferation verstärkt. Auf diese Weise wird der Einheilungs- und Regenerationsprozess beschleunigt. Wie alle Medizinprodukte müssen diese Materialien vor dem Einsatz sterilisiert werden. Gängige Verfahren, wie Dampfsterilisation, Elektronen- oder Gamma-Bestrahlung sowie chemische Behandlung mit Ethylenoxid, sind für metallische oder Polymer-Materialien gut etabliert. Bei Implantaten aus leicht degradierbaren oder thermolabilen Polymeren besteht jedoch die Gefahr einer Schädigung, da hohe Temperaturen, energiereiche Strahlung oder aggressive Reagenzien auf die Struktur und Integrität der Materialien destruktiv wirken können. In biofunktionalisierten Produkten sind außerdem die eingesetzten biologisch aktiven Komponenten für die gewünschte Zell-Interaktion auf eine intakte dreidimensionale Konformation angewiesen. Eine Schädigung des Materials durch harsche Sterilisationsbedingungen kann zu einer längeren Einheilungsphase oder sogar zum Versagen des Implantats führen, was die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigt sowie erhöhte Therapiekosten nach sich zieht. Es ist daher eine Sterilisationsmethode notwendig, die die strukturelle Integrität des Basismaterials gewährleistet und die Funktionalität der bioaktiven Substanzen nicht beeinträchtigt.

Projektziel

Ziel des Projekts war die Entwicklung eines Sterilisationsprozesses, der auf thermisch labile Implantatmaterialien mit bioaktiven Oberflächen angewendet werden kann und dabei die mechanischen und strukturellen Eigenschaften sowie die biologischen Funktionalitäten dieser Materialien weitestgehend nicht beeinflusst.

Lösungsweg

Die entwickelte Methode beruht auf dem Wasserstoffperoxid-Gas-Plasmaverfahren, das in einem Vorgängerprojekt für kollagenbasierte Materialien modifiziert wurde. Die Übertragung auf biofunktionalisierte Implantate erfolgte beispielhaft an thermisch labilen Polymerfolien aus Polylactid (PLA) und Polycaprolacton (PCL), die mit den Wachstumsfaktoren BMP-2 und TGF-beta funktionalisiert wurden. Letztere wurden entweder durch Auftropfen und Trocknen adsorptiv gebunden oder mithilfe eines Carbodiimids nach vorheriger Aktivierung (Plasmabehandlung, Silanisierung) kovalent angekoppelt. Die Folienoberflächen wurden hinsichtlich der Oberflächenbeschaffenheit und der Benetzbarkeit charakterisiert, die erfolgreiche Anbindung wurde mithilfe von Röntgenphotoelektronen- und Infrarotspektroskopie nachgewiesen.
Zur Sterilisation wurde auf die Grundeinstellungen des modifizierten Wasserstoffperoxid-Gas-Plasmaverfahrens zurückgegriffen. Es wurden die Konzentration der Reagenzien Wasserstoffperoxid und Peressigsäure, die Prozesstemperatur und die Dauer der Plasmaphase variiert. Als Referenz diente die Sterilisation durch Gamma-Bestrahlung. Die Charakterisierung der behandelten Proben umfasste die relevanten Parameter Sterilität, strukturelle Integrität (Schrumpfung, Verformung), Wasserstoffperoxid-Restgehalt, Zytotoxizität, mechanische Eigenschaften (Zugfestigkeit, Dehnung), thermische Stabilität und Wirkung auf Knochenzellen.

Ergebnisse

Zum Erreichen einer schonenden Sterilisation erwiesen sich die Prozesstemperatur, Wasserstoffperoxidkonzentration und Dauer der Plasmaphase als kritische Parameter. Um Verformungen der PCL-Folie zu verhindern, musste die Temperatur auf 35 °C gesenkt werden, was nachweislich keinen Einfluss auf die Sterilität hatte. Zur Vermeidung zytotoxischer Effekte wurde der Wasserstoffperoxid-Restgehalt durch Optimierung der eingesetzten Peroxidmenge und der Dauer der Plasmaphase signifikant reduziert. Auf die mechanischen Eigenschaften der Polymerfolien zeigte die Gas-Plasma-Sterilisation im Vergleich zur Gamma-Bestrahlung nur geringfügige Einflüsse, führte aber zu leichten Verringerungen der Schmelztemperaturen der Polymere. Es ergab sich außerdem, dass nur die adsorptiv an eine plasmabehandelte Folie gebundenen Wachstumsfaktoren für die Zellen zugänglich waren, während die kovalent angebundenen keine Effekte hervorriefen.
Als optimale Prozessparameter wurden folgende Werte festgelegt: 6 % Wasserstoffperoxid, 1 % Peressigsäure, Temperatur 35 °C, 3 Minuten Plasmaphase. Unter diesen Bedingungen wurde eine Verringerung der Aktivität der Wachstumsfaktoren in Abhängigkeit von der Polymerfolie beobachtet: für TGF-Beta bis zu 42 % (PLA) bzw. 66 % (PCL) und für BMP-2 bis zu 51 % (PLA) bzw. 81 % (PCL). Die verbliebene Aktivität reichte aber aus, um Signalwege in Osteoblasten und eine verbesserte Adhäsion der Zellen an die Polymeroberfläche zu induzieren.
Die neue Sterilisationsmethode gewährleistet den Erhalt der mechanischen Eigenschaften der Polymerfolien und bewahrt gleichzeitig die Funktionalität der Wachstumsfaktoren, die für das Einwachsen von Implantaten entscheidend sind. Sie erfüllt damit die Anforderungen an eine sichere, effiziente und produktschonende Alternative zur herkömmlichen Sterilisation mit Gammastrahlung in der Medizintechnik. Herstellern von biofunktionalisierten Implantaten oder anderen Medizinprodukten steht damit ein materialschonender Sterilisationsprozess zur Verfügung, der kostengünstig, mit wenig technischem Aufwand, vor Ort, zeitnah und prozessbegleitend durchgeführt werden kann. Der übliche Einsatz überschüssiger Mengen an Wachstumsfaktoren zur Kompensation des sterilisationsbedingten Verlustes kann zudem deutlich reduziert werden.

Dank

Das Forschungsvorhaben wurde anteilig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages innerhalb des Förderprogramms „FuE-Förderung gemeinnütziger externer Industrieforschungseinrichtungen – Innovationskompetenz (INNO-KOM) – Modul - Marktorientierte Forschung und Entwicklung (MF)“ über den Projektträger EuroNorm GmbH gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.

Kontakt

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