Ausgangssituation
Moderne Konsumgüter sind hochentwickelt und in Bezug auf ihre technischen Eigenschaften sowie ihre funktionalen Qualitätsaspekte nahezu vollständig austauschbar innerhalb ihrer jeweiligen Marktsegmente. Um sich vom Wettbewerb abzuheben, wird die durch den Kunden subjektiv wahrgenommene Qualität des Produkts immer wichtiger. Neben den steigenden Kundenanforderungen in Bezug auf sensorische Eigenschaften wird auch das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger. Andererseits existiert jedoch auch eine gewisse Skepsis bezüglich der Eigenschaften nachhaltiger Materialien (Trendsubstitute) gerade hinsichtlich ihrer sensorischen Wertigkeit.
Projektziel
Ziel dieses Forschungsprojekts war die Entwicklung eines universellen Modells zur Prognose der haptischen Wahrnehmung von Bezugsmaterialien. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus vorangegangenen Projekten zur Prognose der Haptik von Textilien sollte dazu nun ein universelles mathematisches Modell für Bezugsmaterialien erarbeitet werden, welches es ermöglicht, anhand von objektiv messbaren Materialeigenschaften eine Kennzahl zur Quantifizierung der erwarteten mittleren haptischen Bewertung des Materials durch den Kunden zu berechnen. Ein Schwerpunkt war dabei die Beurteilung von Trendsubstituten.
Lösungsweg
Es wurden 61 Bezugsmaterialien (30 Kunstleder, 22 Leder und 9 Trendsubstitute) beschafft und hinsichtlich verschiedener Materialeigenschaften, die Auswirkungen auf die haptische Wahrnehmung haben, charakterisiert. Zudem wurde die subjektive haptische Wahrnehmung der Materialien statistisch abgesichert erfasst. Mit Hilfe einer umfangreichen Datenanalyse und der Kombination verschiedener statistischer Methoden wurden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Bewertungen analysiert.
Ergebnisse | Nutzen
Die korrelative Analyse zeigte, dass bei der subjektiven Materialbewertung die Rauheit und Griffigkeit mit dem Gesamtempfinden gut korrelieren. Zudem wurde festgestellt, dass eine hohe Korrelation zwischen der subjektiv empfundenen Geschmeidigkeit und der subjektiv empfundenen Rauheit vorliegt. Geschmeidigkeit und Rauheit hängen von den gleichen objektiven Eigenschaften ab. Die empfundene Rauheit hängt im Wesentlichen von den Rauheitsparametern (Ra, Rq, Rz) ab. Der zweite wesentliche Einflussfaktor auf die Rauheit ist die Einordnung der Dämpfung der Materialien. Dieser spiegelt eine Art Härte oder Rückstellvermögen des Materials wider. Eine höhere Rauheit wird somit bei einem härteren Material eher erkannt. Diese Korrelationen wurden über alle Materialklassen (Leder, Kunstleder und Trendsubstitute) hinweg ermittelt. Die Griffigkeit korreliert neben der auch hier vorhandenen Korrelation zur Rauheit stark mit den Reibungseigenschaften (µhaft, µgleit).
Der Vergleich aller Materialien zeigte, dass die Trendsubstitute haptisch in einigen Fällen wesentlich kritischer bewertet wurden. Ursachen hierfür sind höhere Steifigkeiten sowie ein anderes Dämpfungsverhalten der Trendsubstitute im Vergleich zu Ledern/Kunstledern. Weiterhin wurden in dieser Untersuchung Trendsubstitute eindeutig erkannt und Leder häufig Kunstledern zugeordnet. Dies spricht in Verbindung mit der geringen Bandbreite (Noten 4-6 auf einer 7er Skala) in der Bewertung für eine ähnlich hohe Qualität von Ledern und Kunstledern.
Mit den gegebenen Daten wurden verschiedene, jeweils kreuzvalidierte Regressionsmodelle erstellt. Dabei wurden Trainingsdaten zur Erstellung genutzt und mittels eines Testdatensatzes validiert. Es ist grundsätzlich möglich, Modelle zu erstellen, jedoch scheiterte die Generalisierung (siehe Abb. 1). Innerhalb der Ursachenanalyse konnte festgestellt werden, dass einerseits die Bewertungsbandbreite im subjektiv-haptischen Bereich sehr gering ist und andererseits die gewählten objektiven Parameter zur Bewertung die unterschiedlichen Materialausprägungen nicht ausreichend differenzieren. Die Chance für regressionsbasierte Modellbetrachtungen für die Verbindung objektiver Daten mit subjektiven Eigenschaften ist daher möglich – muss jedoch in Zukunft über die Auswahl der Bewertungsparameter (objektiv und subjektiv) optimiert werden.
Dank
Das Forschungsvorhaben „Prognosemodell der Haptik von Bezugsmaterialien“, Reg.-Nr.: 49MF200087 wurde anteilig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages innerhalb des Förderprogramms „FuE-Förderung gemeinnütziger externer Industrieforschungseinrichtungen – Innovationskompetenz (INNO-KOM) – Modul Marktorientierte Forschung und Entwicklung (MF)“ über den Projektträger EuroNorm GmbH gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.