Ausgangssituation
Die Lederindustrie stellt aus der Haut, einem Nebenprodukt der Fleischindustrie, das Konsumprodukt Leder her. Weltweit werden ca. 560.000 t Leder aus Rinderhäuten zu Schuhen, Taschen und Bekleidung, Möbelbezügen und in der Automobilindustrie verarbeitet. Die Chromgerbung ist dabei mit einem Anteil von über 80 % das führende Gerbverfahren.
Bei der Herstellung von Leder fallen unterschiedliche Nebenströme an. Ein Prozessstrom, dessen Behandlung weltweit nicht gelöst ist, ist die Verwertung von chromhaltigen Falzspänen (CFS). Dieses watteähnliche Material besteht im Wesentlichen aus Hautprotein, Gerbstoff und wenigen Hilfsmitteln. Die CFS enthalten etwa 3 – 5 % Chrom und machen 20 % vom Halbfabrikat aus. Bei der Weiterverarbeitung von Leder zu Produkten entstehen außerdem Beschneideabfälle, die behandelt werden müssen.
CFS und auch Leder werden nur schwer abgebaut. Ursache ist die Stabilisierung gegenüber enzymatischem Angriff durch die feste Bindung des Chroms an das Hautprotein Kollagen. Für die CFS wurden in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedlichste Entsorgungswege geprüft. Deponierung ist in Deutschland nicht mehr erlaubt, in anderen Ländern, u. a. Frankreich, Italien, Spanien, aber noch üblich. CFS und auch Leder werden auch thermisch verwertet, z. B. verbrannt oder pyrolysiert, dienen aber auch als Füllstoff in Gummi, Kunststoffen, Papier, Lederfaserstoff oder als Adsorbens für Farbstoffe. Eine Mineralisierung in Biogasanlagen ist bisher kaum umgesetzt.
Projektziel
Ziel des Forschungsprojektes war daher die Entwicklung eines ökologischen und ökonomischen Verfahrens zur energetischen und stofflichen Verwertung chromierter Falzspäne und Beschneideabfälle aus der Lederherstellung. Für eine vollständige Verwertung sollte der Aufschluss dieser Substrate mittels Extrusion und der anschließende anaerobe Abbau hinsichtlich einer maximalen Biogasausbeute optimiert werden. Für die Entwicklung wurden physikalische, chemische und biologische Parameter berücksichtigt. Weiterer Projektschwerpunkt war das Chromrecycling auch aus den Biomassegärresten. Das erzeugte energiereiche Biogas und auch das zurückgewonnene Chrom sollten dann dem Kreislauf der Gerberei wieder zugeführt werden.
Lösungsweg
Der prinzipielle Lösungsweg für die Verfahrensentwicklung umfasste Untersuchungen zur Vorbehandlung und Gärversuche zum Abbau der CFS sowie Versuche zur Anreicherung von Chrom im Gärrest für die effiziente Rückgewinnung des Chroms.
Ergebnisse | Nutzen
Durch Nutzung alkalischer Abwasserteilströme konnten die CFS so vorhydrolysiert werden, dass die Denaturierungstemperatur deutlich sinkt und die Zugänglichkeit für Proteasen steigt. Batchversuche zeigten, dass die CFS im Biogasprozess vollständig abgebaut werden. Erwartungsgemäß steigt die Ammoniumkonzentration im Gärmedium mit Proteinsubstrat. Die Substratzugabe sollte im Batch-Verfahren daher unter 10 g TS/l liegen, um eine Hemmung des Abbaus zu vermeiden, und es sollte bei mind. 50 °C vergoren werden. Abhängig von der Raumbelastung wurden Biogaserträge von 171 – 309 L/kg TS erreicht. Die kontinuierliche Zugabe des basischen Substrats führte zu einem Anstieg des pH-Wertes in den Hydrolysestufen. Bei Langzeitvergärungen von CFS ist der pH-Wert zu überwachen und ggf. extern einzuregeln.
Hohe Ammoniumkonzentrationen stellen bei kontinuierlicher Substratzugabe langfristig ein Hauptproblem dar. Die hier eingesetzten Raumbelastungen waren sehr gering, wodurch wenig Optimierungspotential durch die Verringerung der Raumbelastung besteht. Die zweistufige Prozessführung verzögert lediglich die Akkumulation. Langfristig müssen Strategien zur Entfernung des Ammoniums in die Forschung einbezogen werden. Chrom stört dagegen die Biozönose nicht. Es wurde eine Cr-Anreicherung von bis zu 12 Gew.-% durch den kontinuierlichen Abbau organischer Masse und die Anreicherung der Anorganik erreicht.
Auf Basis der erarbeiteten Daten wurden die Biogasprozesse bilanziert. Hohe Ammoniumkonzentrationen führen zu niedrigen Raumbelastungen und zu sehr hohen Investitionskosten. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist in Alleinvergärung nicht ökonomisch. Eine Mischvergärung kann attraktiv sein.
Zur Aufbereitung der Gärreste und anschließenden Chromabtrennung kann die Fest-Flüssig-Trennung durch Filtration unter Einsatz polymerer Flockungsmittel sowie durch Zugabe von Kalk (Äscherprozess) erfolgen. Alternativ ist auch eine Trennung mittels Zentrifugation unter Zusatz von Kalk möglich. Zur Gewinnung von Chrom aus der Festphase der Gärreste wurden sowohl alkalische als auch säurehydrolytische Ansätze unter kombiniertem Einsatz von Ultraschall untersucht. Die besten Ergebnisse wurden mit einem säurehydrolytischen Ansatz erzielt, bei dem über 90 % des angereicherten Chroms, aber auch Eisenionen und Phosphat durch pH-Wert-Absenkung auf unter 2 in die Flüssigphase überführt wurden.
Eine thermische Verwertung der CFS kann über metallothermische Reaktionen mit Aluminium (Al), Silizium (Si) und Eisen (Fe) zur Herstellung von Legierungen erfolgen. Die resultierenden Legierungen wiesen in der Phasenanalyse einen hohen Chromanteil sowie Anteile der weiteren Elemente Silizium und Eisen auf. Diese Legierungen fallen in die Kategorie der Ferrochrom-Legierungen, was eine potenzielle Nutzung in der Stahlindustrie ermöglicht. Sie könnten als Vorlegierungen zur Herstellung von Spezialstählen, insbesondere Chromstählen, eingesetzt werden.
Dank
Das IGF-Vorhaben (22208 BR) der Forschungsvereinigung „Forschungsgemeinschaft Leder e.V., Mainzer Landstraße 55, 60329 Frankfurt/Main“ wurde im Rahmen des Programms zur Förderung der „Industriellen Gemeinschaftsforschung und –entwicklung (IGF)“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.

