Entwicklung eines nachhaltigen recyclingfähigen Einkomponenten-Kunstleders auf PBS-Basis

BMWK IGF 21730 BG | Laufzeit: 03.2021 – 08.2023 Frank Gähr, DITF Denkendorf | Kristin Trommer, FILK Freiberg
  • Kategorien:
  • Technische Textilien/Composite

Ausgangssituation

Kunstleder sind flexible Verbundmaterialien, deren textiler Festigkeitsträger mit mehreren Lagen eines Polymers beschichtet ist. Jede Einzellage muss ganz spezielle Funktionalitäten erfüllen, auf die sowohl das Textil als auch die Polymerschichten maßgeschneidert sind. Typische Kunstlederanwendungen sind z. B. Polstermaterialien oder Interieurausstattungen im Mobilbereich. Gegenwärtig werden für Trägermaterialien und Beschichtung unterschiedliche Ausgangsstoffe wie bspw. Baumwolle oder PES als Textil und PVC, PU oder Silicon als Beschichtungssysteme verwendet. Diese sind im Hinblick auf den Anteil biobasierter Edukte, die Recyclingfähigkeit und das biologische Abbauverhalten oft wenig nachhaltig. Verbundmaterialien müssen vor dem Recycling idealerweise in Textil- und Beschichtungsanteil getrennt werden, um eine optimale Wiederaufbereitung der Einzelbestandteile zu gewährleisten.

Kunstleder, dessen Einzellagen aus nur einem Polymersystem bestehen, welches zudem biobasiert und bioabbaubar ist, sollten die Rezyklierbarkeit und Nachhaltigkeit solcher Verbundmaterialien erheblich verbessern.

Projektziel

Ziel des Forschungsvorhabens war die Entwicklung eines geeigneten und kosteneffizienten Verfahrens zur Herstellung eines biologisch abbaubaren Einkomponenten-Kunstleders auf Basis von Polybutylensuccinat (PBS) mit folgenden Merkmalen:

  • Schichtaufbau und textiler Träger bestehen aus dem gleichen Polymermaterial

  • Polymermatrix zu 100 % auf nachwachsender Rohstoffbasis

  • Recyclingfähigkeit ohne Notwendigkeit der Trennung von Träger und Schichtaufbau

  • Vollständige biologische Abbaubarkeit bei Einbringung in die Umwelt

Lösungsweg

Zur Umsetzung der Zielstellung wurden folgende Arbeitsschwerpunkte bearbeitet:

  • Erarbeitung der verfahrenstechnischen Grundlagen zur industriellen Filament- und Textilerzeugung,

  • Entwicklung der verfahrenstechnischen Grundlagen eines industriellen Beschichtungs­verfahrens zur mehrlagigen Beschichtung von textilen Trägermaterialien aus PBS,

  • Schaffung der materialwissenschaftlichen Grundlagen zur Modifizierung von PBS hinsichtlich Flammschutz und Verarbeitbarkeit

  • Untersuchungen zum biologischen Abbauprozess von Einkomponenten-Kunstledern aus PBS

Ergebnisse | Nutzen

Die Herausforderung bei der Verarbeitung eines PBS-Textils mit einer PBS-Beschichtungsmasse bestand in dem identischen Erweichungs- und Schmelzbereich beider Komponenten. Übliche Verfahren eines direkten Schmelzeauftrages auf das Trägertextil sowie die nachträgliche Prägung durch heiße Gravurwalzen stoßen hier an ihre Grenzen. Im Verlauf des Projektes wurde ein Verarbeitungskonzept entwickelt, bei dem die Schmelzeapplikation analog einer Umkehrbeschichtung aus niedrigviskosen Formulierungen auf ein strukturiertes Releasepapier erfolgte. Diese mit einer Ledernarbe versehene Schicht fungiert im Verbund als strukturierte Deckschicht (DS). Auf diese wurde der Haftstrich (HS), ebenfalls eine PBS-Schmelze, appliziert und das PBS-Textil einkaschiert. Durch die kurze Zeitdauer, in der das Textil mit der heißen Schmelze in Berührung kommt, bleibt das Textil ohne Beeinträchtigungen erhalten. Wichtig ist die exakte Abstimmung der Prozessparameter Schmelzetemperatur, Fahrgeschwindigkeit und Anpressdruck der Kaschierwalze. Unter optimierten Bedingungen ließen sich PBS-Verbundmaterialien mit dem typischen Aufbau für Kunstleder herstellen.

Es wurden zwei Varianten entwickelt. Zum einen ein Kunstleder komplett aus PBS aufgebaut und zum anderen ein hinsichtlich Flexibilität optimiertes Kunstleder mit einem PBAT-Haftstrich. Die finalen Muster sind bspw. für Automobilinnenraumauskleidungen geeignet (Abbildung1).

Untersuchungen zum Bioabbau unter Umgebungsbedingungen haben gezeigt, dass dieser stattfindet (Abbildung 2). Die Versuche können als Testszenario für eine Kontamination der Umwelt mit einem solchen Material angesehen werden. Sie zeigen jedoch auch, dass eine industrielle Kompostierung unter kontrollierten Bedingungen ein mögliches End-of-Life-Szenario sein kann. Auch bei einer Mehrfach­nutzung fällt Material an, dass z. B. aufgrund seiner Eigenschaften nicht erneut in den wertstofflichen Kreislauf eingehen kann. Die industrielle Kompostierung wäre hierfür ein möglicher Entsorgungsweg.

Die Untersuchungen zur stofflichen Wiederverwertung im Extrusionsprozess belegen das Potential des Materials PBS. Zur Etablierung eines kreislauffähigen Verbundmaterials müssten sich umfassende, systematische Untersuchungen anschließen. Aus den Untersuchungsergebnissen des Projektes geht jedoch hervor, dass dadurch ein erfolgversprechender Recycling-Kreislauf generiert werden kann.

   

Bericht anfragen

Dank

Das IGF-Vorhaben 21730 BG der Forschungsvereingung Forschungskuratorium Textil e.V., Reinhardtstraße 14-16, 10117 Berlin wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Kontakt

FILK Freiberg Institute gGmbH
Meißner Ring 1-5
D-09599 Freiberg

Fon: +49-(0)3731-366-0
Fax: +49-(0)3731-366-130
E-Mail: mailbox@filkfreiberg.de